21.11.2024
Ein dubioser Jagdausflug zwingt den Tiroler SPÖ-Vorsitzenden Georg Dornauer zum Amtsverzicht

Strandfotos und Beutebruch

Der Tiroler SPÖ-Vorsitzende Georg Dornauer sorgte immer wieder österreichweit für Skandalschlagzeilen. Bislang hatte ihm das nicht geschadet, nun aber zwang ihn ein dubioser Jagdausflug zum Rücktritt.

Wien. Die österreichische Politik mag oftmals skurril erscheinen, aber sie hat einen hohen Unterhaltungswert. Vor allem FPÖ- und ÖVP-Politiker leisten sich zuweilen Skandale besonderer Art, aber auch Sozialdemokraten wollen da nicht zurückstehen. Vergangene Woche schoss Georg Dornauer in dubioser Begleitung einen Bock, beziehungsweise einen Hirsch, und bestritt dies anschließend. Dies könnte die Karriere des als volkstümlich geltenden »Schorsch« oder auch »Schorschi« genannten bisherigen Vorsitzenden der Tiroler Sozialdemokraten und Landeshauptmann-Stellvertreters vorerst beenden.

Georg Dornauer wuchs in der kleinen Gemeinde Sellrain auf. Von hier sind es nur 20 Kilometer bis nach Innsbruck, wo Dornauer die Matura (Abitur) ablegte und Politikwissenschaften studierte. Daheim spielte er Orgel und Ziehharmonika, ging auf traditionelle Umzüge und Dorffeste. Mit 26 Jahren wurde aus ihm Dr. Dornauer. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit der Dominanz der konservativen Volkspartei (ÖVP) im Land Tirol. Dornauer wollte nun nicht mehr nur zu Politik forschen. Er trat in die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) ein, wurde 2016 zunächst Sellrainer Bürgermeister, zwei Jahre später Landtagsabgeordneter und sogar Landesparteivorsitzender.

Auch bundespolitisch schien Dornauer ambitioniert zu sein und bezog Stellung gegen den ihm als zu links dünkenden Kurs des SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler.

Für die Tiroler blieb er aber der nahbare Schorsch, der jeden grüßt und auch mal für einen Tratsch seinen Terminkalender durcheinanderbringt. Und er ging auf die Jagd. An sich alles andere als ein Skandal in Tirol. Wenn man aber, wie es Dornauer 2019 tat, sein geladenes Gewehr im Auto, einem Porsche, lässt und die Fenster geöffnet sind, erhält man ein Waffenverbot. Und von Boulevardmedien wie der Kronen-Zeitung den Spitznamen »Porschi-Schorschi«. Der Zeitung Die Presse gegenüber gab sich Dornauer reumütig. »Es sind zwei, drei Fehler passiert, so ehrlich bin ich.«

Aber der »rastlose Rote« (Die Presse) kam so gut an bei den Leuten, dass sich bei der Landtagswahl 2022 für Tirol beachtliche 17,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die SPÖ stimmten. Dornauer entschied sich für einen Regierungsposten: »Die Opposition war nicht die Rolle, in der ich mich wohl gefühlt habe.« Hinter Landeshauptmann (vergleichbar mit einem deutschen Ministerpräsidenten) Anton Mattle wurde Dornauer dessen erster Stellvertreter.

Auch bundespolitisch schien Dornauer ambitioniert zu sein und bezog Stellung gegen den ihm als zu links dünkenden Kurs des SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler. Dem Magazin Profil sagte Dornauer bei Bier und Käsekrainern, dass eine »Kassiererin im Supermarkt, die zwei Kinder durchbringen muss, große wirtschaftliche Probleme« und daher »keine Zeit« habe, »sich ums Gendern zu kümmern«. Insgeheim dürfte sich Dornauer selbst schon im Wiener Parlament gesehen haben.

Strandfotos mit einer italienischen Rechtsextremistin

Auf dem »Gauder-Fest« im Mai schlüpfte er im Bierzelt wieder in die Rolle des Schorsch. Nach ein paar Bieren und einem Schnaps mit dem hinter ihm sitzenden FPÖ-Vorsitzenden Herbert Kickl gab er dem ORF-Satiriker Peter Klien ein Interview, das Kreise zog. Gefragt, weshalb »niemand von der Sozialdemokratie« auf dem Fest sei, entgegnet Dornauer mit glasigem Blick, dass »der einzig bundesrelevante Politiker hier ist« und zeigt auf sich selbst. »Aber Sie werden sich ja nicht zur Sozialdemokratie rechnen?« Dornauer kontert: »Na logisch! Der Papi gehört dazu.«

Neben dem »Papi« saß dessen italienische Begleiterin Alessia Ambrosi. Die 42jährige war von 2018 bis 2023 Regionalrätin der Provinz Trentino-Südtirol, zunächst für die Lega, 2021 wechselte sie zu den Fratelli d’Italia von Georgia Meloni. Bekannt wurde Dornauers Beziehung zur Rechtsextremistin durch Instagram, Ambrosi selbst hatte ein paar Strandfotos gepostet. »Wir sind offenkundig nicht wegen unserer Parteibücher liiert«, erklärte sich Dornauer gegenüber Profil. Dem Magazin gilt er als »Instinktpolitiker«.

Die Instinktsicherheit scheint Dornauer zumindest kurzzeitig verlassen zu haben. Am Montag voriger Woche präsentierte die Kronen-Zeitung mit der Überschrift »Na bumm!« ein Foto, auf dem Dornauer zusammen mit zwei Männern und einem Jungen bei einem erlegten Hirsch posiert. An Dornauers Hut ist ein »Beutebruch« genannter Zweig angebracht, der dem Schützen zusteht. Und das Waffenverbot? Er habe »nicht geschossen«, sagte der SPÖ-Politiker, die Hüte habe man untereinander getauscht. Das wäre eine unter Jägern äußert unübliche Verfahrensweise.

Gefallener Immobilienmagnat René Benko

Der Mann links hinter Dornauer ist der tief gefallene Immobilienmagnat René Benko. Er legte zuletzt mit seinem Konzern Signa eine milliardenschwere Pleite hin; in Wien ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen ihn. »Fettnäpfchen-Schorschi« (Kronen-Zeitung) musste einsehen, dass man sich mit Benko derzeit besser nicht sehen lässt. Dazu hat er nun ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Waffengesetz am Hals.

Dornauer gab bekannt, sich von seinen Ämtern als stellvertretender Landeshauptmann und als SPÖ-Landeschef zurückzuziehen und stattdessen sein Mandat im Landtag wahrzunehmen. Die SPÖ verliert nach dem Rücktritt von David Egger-Kranzinger in Salzburg (wegen Überlastung) und Michael Lindner in Oberösterreich (aus familiären Gründen) damit binnen weniger Wochen bereits den dritten Landesvorsitzenden. »Ich trete nicht zurück, aber zur Seite«, sagte Dornauer auf einer Pressekonferenz. An einen dauerhaften Rückzug aus der Politik denkt er offenbar nicht.