21.11.2024
Kurt Cobain und die gescheiterte Zerstörung des Rock ’n’ Roll

Die letzte interessante Band

Podkowik Propaganda. Der 30. Todestag von Kurt Cobain und die gescheiterte Zerstörung des Rock ’n’ Roll.

Ich verspüre eine gesteigerte Empathie für Bands, bei denen ein Mitglied stirbt. Das hat biographische Gründe, ich hab so was selbst mal erlebt. Linkin Park waren immer schrecklich, aber der Tod von Chester Bennington war es auch. Dass ihn zur Reunion nun mit Emily Armstrong eine Frau ersetzt, wurde von einer anderen Band mit totem Sänger geklaut: Als Nirvana 2014 zu ihrer Eingemeindung in die Rock and Roll Hall of Fame aufspielten, übernahmen unter anderem Joan Jett und Kim Gordon den Gesang. Das wirkte irgendwie feministisch, genau wie Nirvana früher.

Sie hätten der sterbenslangweiligen Show aber auch fernbleiben können, wie die Sex Pistols 2006, als Johnny Rotten verkündete: »Were not coming. Were not your monkey.« Vielleicht wäre Kurt Cobain, der mal erwähnte, dass er die Pistols für millionenfach wichtiger halte als The Clash, ähnlich vorgegangen, hätte er sich nicht erschossen.

Wurde Cobain wirklich von einer Maschinerie zerstört, die er zu zerstören angetreten war? Dieses Klischee ist so wohltuend, es gibt so viel mehr her als Depression, Drogen und chronische Magenschmerzen.

Sein Suizid jährte sich gerade zum 30. Mal – ein Jubiläum, das überraschend wenig ausgeschlachtet wurde. Dabei hätte man Rührseligkeiten verbreiten können über den gescheiterten Revolutionär, der am Showbusiness zugrunde gegangen sei, und man wäre nachdenklich geworden und es hätte sich gut angefühlt. Wurde Cobain wirklich von einer Maschinerie zerstört, die er zu zerstören angetreten war? Dieses Klischee ist so wohltuend, es gibt so viel mehr her als Depression, Drogen und chronische Magenschmerzen.

Cobain selbst inszenierte sich als tragisches Opfer der Kulturindustrie, etwa in seinem Abschiedsbrief, mit genial platziertem Neil-Young-Zitat: »It’s better to burn out than to fade away.« Das entsprechende Stück »Hey Hey, My My« handelt davon, dass Rock ’n’ Roll nie sterben kann, und erschien 1979, als Punk gerade gestorben war.

Young singt hier auch: »This is the story of a Johnny Rotten.« Rotten war erklärtermaßen angetreten, Rock ’n’ Roll zu zerstören; Cobain erweckte mitunter den gleichen Eindruck. Aber manchmal wollte er auch ein Rockstar sein.

Geiler, öder Rock, der niemanden stört

Falls Punk doch nicht in den Siebzigern gestorben ist, und auch nicht in den Achtzigern, trotz dieses ganzen Hardcore-Blödsinns, dann waren Nirvana die letzte Punkband – in jedem Fall aber die letzte interessante Band.

Danach kamen die Foo Fighters. Da darf zwar einer von den Germs mitmachen, aber es ist einfach nur noch Rock. Geiler, öder Rock, der niemanden stört. Ohne das überschießende Moment von Nirvana, aber auch ohne den Rockismus von Guns N’ Roses.

Kurt Cobain hatte seinem Antipoden Axl Rose einst aufs Piano gespuckt. Dave Grohl, ehemals Nirvana-Drummer, tritt mittlerweile gelegentlich als Gastmusiker für Rose auf, und dann spielen sie eine tolle Version von »Paradise City«. Beides ist zu begrüßen.

Kolumnenlogo mit Wutemoji

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